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Geschichten und globaler Wandel

Aktualisiert: 27. Apr. 2020

- oder warum Geschichtenerzähler*innen einen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen lokalen, nationalen und globalen Herausforderungen leisten


Ein Beitrag von Momo Heiß

Musikerin und Geschichtenerzählerin

Anlässlich der Klimadebatte


Klimaschutz bedeutet für mich, dem unumstößlichen Wert gerecht zu werden, unserer Erde mit all ihren Lebensgrundlagen, wie sauberem Wasser, sauberer Erde und sauberer Luft achtsam zu begegnen. Doch vielleicht ist das, was wir hier auf der Erde sehen auch ein Spiegel dafür, wie wichtig es ist, uns selbst gegenüber achtsam zu sein und unsere eigene Verletzlichkeit zu würdigen.

Ich glaube, um anders mit der lebendigen Erde umzugehen, brauchen wir vor allem die Fähigkeit zum Wandel: Die Fähigkeit, innerlich zu wachsen, zu reifen und verantwortungsvoll zu handeln. Dafür müssen wir vor allem festgefahrene Muster durchbrechen - und neue Muster erschaffen.

Als Musikerin gebe ich seit 25 Jahren Klavierunterricht. Dabei studiere ich, wie das Lernen geschieht: Was alles notwendig ist, um komplexe Bewegungsmuster (Fingersatz, Gestaltung, Rhythmus) aufzubauen, was passiert, wenn sich die Spieler*in auf das Gelernte verlassen kann und welche Schwierigkeiten es mit sich bringt, ein altes Muster abzulegen und mit einem neuen zu überschreiben.

Dies gilt nicht nur in der Musik, sondern lässt sich auf viele Bereiche übertragen, wie Psychologie, Sport - oder Systeme wie eine Firma, das Schulsystem oder die Wirtschaft.

Wenn uns Klimaschutz, gepaart mit gesellschaftlichen Wandel, gelingen soll, müssen wir alle gewohnte Muster mit neuen Mustern überschreiben. Und dafür sind Geschichten ein unermesslicher Schatz. Denn die zugrunde liegende Struktur von Märchen und Mythen ist nicht mehr oder weniger, als eine Anleitung, alte Muster zu durchbrechen und Neues zu schaffen.

Der Wert der Geschichten.


Hier kurz zusammengefasst die Struktur vieler Geschichten: Ein*e Held*in bricht aus ihrer gewohnten und vertrauten Umgebung auf und ein Abenteuer beginnt. Gefahren werden überwunden, Konflikte bewältigt, Rätsel gelöst - bis die Protagonist*in schließlich verändert nach Hause zurückkehrt und so Neues in die Welt bringt. Es gibt viel über diese Struktur zu berichten. Hier fasse ich aber nur ganz kurz zusammen: Geschichten lehren uns die Weisheit des Reifens, der Lebendigkeit und der Entwicklung. Sie ähneln der Struktur von Initiationsriten weltweit, die Lebensübergänge markieren und Veränderungen unterstützen.

Diese, den Geschichten innewohnende Struktur, in seinem eigenen Leben zuzulassen, bedeutet eigene Veränderung, eigenes Wachstum und eigene Reifung zuzulassen. Und diese Fähigkeit in uns selbst ist die Voraussetzung dafür, dass uns auch im Großen Wandel und Veränderung gelingt. Faszinierend ist für mich, dass diese mythologische Struktur der Geschichten, Märchen und Sagen unabhängig voneinander in allen Kulturen der Welt erscheint. Nicht nur deswegen empfinde ich diese Struktur als elementar.

Wenn wir Geschichten erzählen, wenn wir Geschichten lauschen, üben wir uns in Veränderung und wenn uns Wandel gelingen soll, wird die Fähigkeit, uns auf ein inneres Abenteuer der Veränderung einzulassen, besonders wichtig. In unserer Fantasie gehen wir den Weg des Helden oder der Heldin mit - und die Gehirnforschung bestätigt, dass das pure eigene Vorstellen ebenso effektiv ist, wie das eigene physische Erleben. Wir üben also beim Geschichtenhören nichts anderes, als Wandel und Veränderung zuzulassen.

Nicht umsonst kann es passieren, dass eine Geschichte prägend für das eigene Handeln werden kann und uns ein Leben lang begleitet.

Der Wert der Geschichten. Verantwortung.

Das Wissen um die Struktur der Geschichten ist sehr verbreitet. Die Werbung, die Wirtschaft, die Politik, Filmemacher und Kulturtreibende, alle bedienen sich dieser elementaren Struktur, die uns nicht ohne Grund intuitiv berührt und mitnimmt. Ja, sie entsteht von selbst, wenn eine Geschichte erfunden wird und eine Eigendynamik entwickelt.

Je länger ich mich mit dem Thema dieser Struktur hinter den Geschichten beschäftige, desto mehr spüre ich, wie wichtig es ist, Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Geschichten ich wähle und welche Haltung hinter meinem Erzählen steckt. Und je länger ich mich darin vertiefe, desto schneller erkenne ich diejenigen, die mich mit einer Geschichte ‚einfangen‘ möchten, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen.

Heute lebt die alte Kunst des freien Erzählens wieder auf und Geschichten werden wieder um ihrer selbst Willen erzählt. Wir Erzähler*innen bringen Geschichten so durch das mündliche Erzählen in unser Umfeld, wir bringen alte Erzählstoffe in unsere Zeit oder erfinden neue Geschichten. Wir können in Workshops unseren Zuhörer*innen die Struktur der Geschichten nahebringen und sie dazu ermutigen, selbst Geschichten zu erzählen, die unsere Herzen berühren.

Der Wert der Geschichten. Verantwortung. Entwicklung.

Eine Gesellschaft ist so gut, wie die Geschichten, die in ihr erzählt werden“*

In diesem Sinne kann jede*r von uns einen ganz individuellen Beitrag leisten.



Ganz neu Momo Heiß täglicher Podcast mit "Anderen Gedanken" auf: https://soundcloud.com/anderegedanken

Interessiert Dich das Thema Geschichten Erzählen und Naturverbindung? Dann sei dabei bei unserem Online-Kurs mit Momo Heiß, Viktoria Zimmer und Julia Talk


* Leider finde ich den/die Autor*in dieses Satzes nicht, den ich so oder etwas anders einmal gelesen habe.


Dieser Artikel wurde auch bei der Stiftung Erzählen veröffentlicht: https://www.stiftungerzaehlen.de/2020-03-04-geschichten-und-globaler-wandel/

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